Raum für Krisenbewältigung
Bayenthaler „Beratungsstelle Proberaum“ der Alexianer Köln GmbH besteht seit zehn Jahren

Junge Erwachsene im Alter zwischen 17 und 27 Jahren finden in persönlichen Krisen seit 2014 eine Anlaufstelle in der „Beratungsstelle Proberaum“. Die Einrichtung der Alexianer Köln GmbH bietet den Besucherinnen und Besuchern neben kostenlosen Einzelberatungen ein vielfältiges Spektrum an Beschäftigungsmöglichkeiten, etwa Gemeinschaftsspiele, Koch-Aktionen, Ausflüge, Lesungen oder Musikveranstaltungen. Im Rahmen einer Jubiläumsfeier würdigten Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft das Wirken der gemeinnützigen Institution. „Es ist nicht einfach, in dieser komplexen Welt erwachsen zu werden. Auch das Erwachsensein ist nicht leicht. Oftmals läuft man gegen Mauern. Unser Anspruch war und ist es, Menschen auf ihrem Weg unterstützend zu begleiten“, sagte der Regionalgeschäftsführer der Alexianer, Peter Scharfe, im Zuge seiner Fest-Rede. Die Nachfrage auf die Angebote in Bayenthal sowie der zweiten Einrichtung in Deutz (Siegburger Straße 233) verdeutlicht den Stellenwert spezifischer Hilfen: „2023 gab es auf beiden Rheinseiten 2.650 Besuche. Für dieses Jahr konnten wir schon 2.772 Besuche verzeichnen. Der Bedarf ist also enorm groß“, berichtete die Koordinatorin des Sozialpsychiatrischen Zentrums Rodenkirchen (SPZ), Laura Schweikhart den zahlreich erschienen Gästen.

„Wenn ich an den Proberaum denke, fallen mir Worte wie Herzblut, Leidenschaft, Durchhaltevermögen, Humor und offene Arme ein.“ Einrichtungsleiterin Laura Schweikhart

Konfrontiert mit den Ängsten junger Menschen an der Schwelle zwischen Schule und Beruf, entstand im Leitungskreis des SPZ bereits vor 14 Jahren die Idee eines besonderen Raums.
Zusätzliche Förderer wie die Aktion Mensch, die Kämpgen-Stiftung und das Gesundheitsamt Köln führten schließlich zur Verwirklichung des Vorhabens. „Wenn ich an den Proberaum denke, fallen mir vor allem Worte wie Herzblut, Leidenschaft, Humor, offene Arme aber auch Durchhaltevermögen und Geduld ein“, erklärte Schweikhart, die neben den Trägern auch der Stadtverwaltung für eine nachhaltige Unterstützung dankte.

„Ich verspüre hier keinen Erwartungsdruck. Selbst, wenn ich mal mit Depressionen in der Ecke sitze, lässt man mir meine Ruhe. Meistens geht es hier aber sehr heiter zu.“ Proberaum-Besucherin Lilly

Regelmäßiger Gast im Haus ist Farin (Name von der Redaktion geändert). Der 23-jährige Kölner war Suchtkrank und erfuhr durch das Job-Center vom Proberaum. „Hier habe ich wieder Struktur in meinem Leben gefunden. Ich komme fünfmal die Woche und empfinde dies als einen Ort, an dem meine Persönlichkeit wahrgenommen wird. Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr. Das tut einfach gut“, so der Besucher. Ebenfalls positiv bewertet Lilly die Atmosphäre und das Programm des Hauses: „Ich komme schon seit März 2022 hierhin – hauptsächlich wegen meiner Depressionen. Manchmal bin ich auch in Deutz, je, nachdem was gerade auf dem Tagesplan steht. Mir gefällt es hier, weil ich keinen Erwartungsdruck von den Mitarbeitern verspüre. Selbst, wenn ich mal mit Depressionen in der Ecke sitze, lässt man mir meine Ruhe. Meistens geht es hier aber wirklich sehr heiter zu“, erzählt die junge Frau, zu deren Favoriten das gemeinsame Kochen, Kartenspiele und Filmabende im Proberaum gehören. „Ich habe hier sogar neue Freunde gefunden, mit denen ich mich auch privat treffe. Für mich ist die Einrichtung ein Ort, an dem man Spaß haben kann und über ernste Themen reden kann“, findet die 20-Jährige. Von den Möglichkeiten in der Beratungsstelle profitiert auch Chrissy. Nach einem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie aufgrund von Depressionen gehört die 28-Jährige seit rund drei Jahren zu den steten Besucherinnen und nutzt die Gemeinschaftsaktionen vor Ort.

„Ich atme – ich lebe – ich bleibe da“ Autorin Mascha Krupka aus „Mein Lebenszeichen“

Einen Höhepunkt der Feierlichkeit bildete der Programmpunkt „Hörbar & Lesbar“ mit einer Lesung von Lyrikerin Mascha Krupka sowie einem Live-Auftritt von Songschreiberin Kira. Dabei präsentierte Autorin Krupka bewegende Gedichte aus ihrem Band „Mein Lebenszeichen“, der in einer Zeit starker Selbstzweifel und Verlorenheit entstanden war. Einer einsamen Spaziergängerin gleich, malte die Schriftstellerin mit zitternden Worten ihren Herbst in die Stille, wechselte dann jedoch in hellere Farben: „ … Ich atme – ich lebe – ich bleibe da …“ ließ Mascha Krupka mit fester Stimme keinen Zweifel an ihrem neuen Lebensmut. Nicht minder ausdrucksstark präsentierte Musikerin Kira ihre Kompositionen den rund 50 Zuhörenden. Titel wie „Frühling in Berlin“ dürften sich problemlos auf den Radiosendern neben Liedgut von Clueso, CATT oder AnnenMayKantereit behaupten. Mit der Ankündigung „ … und ich mach die Augen zu/damit du dahinter tanzen kannst …“ fügte die Chanteuse der Romantik ein märchenhaftes Klangkapitel hinzu

Kämpgen-Stiftung gehört zu den Proberaum-Unterstützern

Die Kämpgen-Stiftung förderte 2016 den Aufbau des Angebotes „Proberaum-Works“ mit 30.000 Euro. Damit sollen unter fachlicher Anleitung unter anderem handwerkliche Fähigkeiten vermittelt werden. „Gerade in einer Zeit, in der viele junge Menschen mit Unsicherheiten und psychischen Herausforderungen kämpfen, braucht es Räume, die Halt geben und individuelle Stärken fördern. Im ‚Proberaum‘ finden die Besucherinnen und Besucher Möglichkeiten, um im geschützten Rahmen eigene Ideen zu entwickeln und ihren persönlichen Ausdruck zu finden“, hob Kämpgen-Stifung Geschäftsführerin Ingrid Hilmes den Stellenwert der Einrichtungen hervor.

Infos/Kontakt: „Beratungsstelle Proberaum“, Mathiaskirchplatz 5, 50968 Köln, Telefon: 0221 27 72 65 40, Siegburger Straße 233, 50679 Köln, Telefon: 0221 35 65 08 12, E-Mail: proberaum.koeln@alexianer.de, Web: www.spz-rodenkirchen.de

Text: Thomas Dahl
Foto: Thomas Dahl

Musikerin Kira begeisterte mit emotionalen Songs aus eigener Feder.